Benutzer:Jan Agatz: Unterschied zwischen den Versionen
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Neben der Funktionentheorie und der Topologie lassen sich auch in der Analysis viele Gegenbeispiele finden. | Neben der Funktionentheorie und der Topologie lassen sich auch in der Analysis viele Gegenbeispiele finden. | ||
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Die Weierstraß-Funktion <math>f:\mathbb{R} \rightarrow \mathbb{R}</math> ist eine stetige Funktion, die in keinem Punkt differenzierbar ist. | Die Weierstraß-Funktion <math>f:\mathbb{R} \rightarrow \mathbb{R}</math> ist eine stetige Funktion, die in keinem Punkt differenzierbar ist. | ||
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Als geometrische Reihe konvergiert <math>\sum\limits_{n = 0}^{\infty} a^n = \frac{1}{1 - a}</math>, sodass (über den [https://de.wikipedia.org/wiki/Weierstraßsches_Majorantenkriterium Majorantensatz von Weierstraß]) auch die Funktionenreihe <math>\sum\limits_{n = 0}^{\infty} a^n\cos\left(b^n\pi x\right)</math> gleichmäßig auf <math>\mathbb{R}</math> konvergiert. | Als geometrische Reihe konvergiert <math>\sum\limits_{n = 0}^{\infty} a^n = \frac{1}{1 - a}</math>, sodass (über den [https://de.wikipedia.org/wiki/Weierstraßsches_Majorantenkriterium Majorantensatz von Weierstraß]) auch die Funktionenreihe <math>\sum\limits_{n = 0}^{\infty} a^n\cos\left(b^n\pi x\right)</math> gleichmäßig auf <math>\mathbb{R}</math> konvergiert. | ||
− | Nimmt man beide obigen Aussagen zusammen, so folgt bereits, dass die Weierstraß-Funktion als gleichmäßig konvergente Funktionsreihe stetiger Funktionen selbst stetig ist. '' | + | Nimmt man beide obigen Aussagen zusammen, so folgt bereits, dass die Weierstraß-Funktion als gleichmäßig konvergente Funktionsreihe stetiger Funktionen selbst stetig ist. <ref>Winfried Kohnen: ''Analysis 1: Vorlesung von Prof. Dr. Kohnen'', Kapitel 5.4, Satz 4</ref> |
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− | === Die modifizierte Dirichlet-Funktion | + | === Die modifizierte Dirichlet-Funktion<ref>Jürgen Appell, op. cit., Beispiel 1.12</ref>=== |
Eine weitere interessante Funktion, die das intuitive Verständnis der Stetigkeit herausfordert, ist die modifizierte Dirichlet-Funktion. | Eine weitere interessante Funktion, die das intuitive Verständnis der Stetigkeit herausfordert, ist die modifizierte Dirichlet-Funktion. | ||
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# Sie ist in den Punkten <math>[0,1] \setminus C</math> differenzierbar und ihre Ableitung besitzt dort jeweils den Wert <math>0</math>. | # Sie ist in den Punkten <math>[0,1] \setminus C</math> differenzierbar und ihre Ableitung besitzt dort jeweils den Wert <math>0</math>. | ||
− | === Die Indikatorfunktion der rationalen Zahlen | + | === Die Indikatorfunktion der rationalen Zahlen=== |
Ein letztes Gegenbeispiel der Analysis ist die [https://de.wikipedia.org/wiki/Indikatorfunktion Indikatorfunktion] <math>\chi_{\mathbb{Q}}: \mathbb{R} \rightarrow \{0,1\}, x \mapsto \begin{cases}1 & \text{für } x \in \mathbb{Q} \\ 0 & \text{für } x \in \mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}\end{cases}</math> der rationalen Zahlen <math>\mathbb{Q}</math> in den reellen Zahlen <math>\mathbb{R}</math>, welche die Unterschiedlichkeit der [https://de.wikipedia.org/wiki/Lebesgue-Integral Lebesgue]- und [https://de.wikipedia.org/wiki/Riemannsches_Integral Riemann]-Integrierbarkeit zeigt. | Ein letztes Gegenbeispiel der Analysis ist die [https://de.wikipedia.org/wiki/Indikatorfunktion Indikatorfunktion] <math>\chi_{\mathbb{Q}}: \mathbb{R} \rightarrow \{0,1\}, x \mapsto \begin{cases}1 & \text{für } x \in \mathbb{Q} \\ 0 & \text{für } x \in \mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}\end{cases}</math> der rationalen Zahlen <math>\mathbb{Q}</math> in den reellen Zahlen <math>\mathbb{R}</math>, welche die Unterschiedlichkeit der [https://de.wikipedia.org/wiki/Lebesgue-Integral Lebesgue]- und [https://de.wikipedia.org/wiki/Riemannsches_Integral Riemann]-Integrierbarkeit zeigt. | ||
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| style="text-align:left; font-size: 100%;" | '''Beweis der Lebesgue-Integrierbarkeit''' | | style="text-align:left; font-size: 100%;" | '''Beweis der Lebesgue-Integrierbarkeit''' | ||
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− | | Nach der Definition des Lebesgue-Integrals gilt bereits: <math>\int_\mathbb{R} \chi_\mathbb{Q} \mathrm{d}\mathbb{\lambda} = \mathbb{\lambda}\left(\mathbb{Q}\right) = 0</math>. Insbesondere ist <math>\chi_\mathbb{Q}</math> also Lebesque-integrierbar. '' | + | | Nach der Definition des Lebesgue-Integrals gilt bereits: <math>\int_\mathbb{R} \chi_\mathbb{Q} \mathrm{d}\mathbb{\lambda} = \mathbb{\lambda}\left(\mathbb{Q}\right) = 0</math>. Insbesondere ist <math>\chi_\mathbb{Q}</math> also Lebesque-integrierbar.<ref>Jürgen Elstrodt: ''Maß- und Integrationstheorie'', Kapitel IV, §1. Integration von Treppenfunktionen, 1.2 Definition</ref> |
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| style="text-align:left; font-size: 100%;" | '''Beweis der Nicht-Riemann-Integrierbarkeit''' | | style="text-align:left; font-size: 100%;" | '''Beweis der Nicht-Riemann-Integrierbarkeit''' | ||
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− | | Bekanntermaßen impliziert die Riemann-Integrierbarkeit einer Funktion <math>f</math>, dass sie der gleichmäßige Grenzwert einer Folge <math>(t_n)_{n \in \mathbb{N}}</math> von Treppenfunktionen ist, also <math>\lim\limits_{n \rightarrow \infty}\|f - t_n\|_\infty = \lim\limits_{n \rightarrow \infty}\sup\limits_{x \in \mathbb{R}}|f(x) - t_n(x)| = 0</math> gilt. '' | + | | Bekanntermaßen impliziert die Riemann-Integrierbarkeit einer Funktion <math>f</math>, dass sie der gleichmäßige Grenzwert einer Folge <math>(t_n)_{n \in \mathbb{N}}</math> von Treppenfunktionen ist, also <math>\lim\limits_{n \rightarrow \infty}\|f - t_n\|_\infty = \lim\limits_{n \rightarrow \infty}\sup\limits_{x \in \mathbb{R}}|f(x) - t_n(x)| = 0</math> gilt. <ref>Winfried Kohnen: ''Analysis 1: Vorlesung von Prof. Dr. Kohnen'', Kapitel 6.2, Bermerkung, i)</ref> |
Betrachtet man nun die Funktion <math>f = \chi_\mathbb{Q}</math>, so sieht man schnell ein, dass diese kein gleichmäßiger Grenzwert von Treppenfunktionen sein kann, da für jede beliebige Treppenfunktion mit beliebigen Stützpunkten und beliebigen Werten zwischen diesen Stützpunkten immer <math>\lim\limits_{n \rightarrow \infty}\|\chi_\mathbb{Q} - t_n\|_\infty \geq \frac{1}{2} \neq 0</math> gilt. | Betrachtet man nun die Funktion <math>f = \chi_\mathbb{Q}</math>, so sieht man schnell ein, dass diese kein gleichmäßiger Grenzwert von Treppenfunktionen sein kann, da für jede beliebige Treppenfunktion mit beliebigen Stützpunkten und beliebigen Werten zwischen diesen Stützpunkten immer <math>\lim\limits_{n \rightarrow \infty}\|\chi_\mathbb{Q} - t_n\|_\infty \geq \frac{1}{2} \neq 0</math> gilt. | ||
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Dies liegt daran, dass in dem Intervall zwischen zwei Stützpunkten einer Treppenfunktion (auf dem die Treppenfunktion per Definition konstant einen Wert <math>w \in \mathbb{R}</math> annimmt) jeweils eine rationale Zahl <math>x \in \mathbb{Q}</math> und eine irrationale Zahl <math>y \in \mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}</math> mit <math>\chi_\mathbb{Q}(x) = 1</math> und <math>\chi_\mathbb{Q}(y) = 0</math> liegen. Offensichtlich gilt nun <math>max\{|\chi_\mathbb{Q}(x) - w|, |\chi_\mathbb{Q}(y) - w|\} \geq \frac{1}{2}</math>. | Dies liegt daran, dass in dem Intervall zwischen zwei Stützpunkten einer Treppenfunktion (auf dem die Treppenfunktion per Definition konstant einen Wert <math>w \in \mathbb{R}</math> annimmt) jeweils eine rationale Zahl <math>x \in \mathbb{Q}</math> und eine irrationale Zahl <math>y \in \mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}</math> mit <math>\chi_\mathbb{Q}(x) = 1</math> und <math>\chi_\mathbb{Q}(y) = 0</math> liegen. Offensichtlich gilt nun <math>max\{|\chi_\mathbb{Q}(x) - w|, |\chi_\mathbb{Q}(y) - w|\} \geq \frac{1}{2}</math>. | ||
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− | <references | + | |
+ | == Siehe auch == | ||
+ | * Cantor-Funktion | ||
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+ | == Literatur == | ||
+ | * Jürgen Appell: ''Analysis in Beispielen und Gegenbeispielen: Eine Einführung in die Theorie der reellen Zahlen'', Springer-Verlag, Berlin [u.a.], 2009, ISBN 978-3-540-88902-1 | ||
+ | * Bernard R. Gelbaum und John M. H. Olmsted: ''Counterexamples in Analysis'', Dover Publications, Mineola.], 2003, ISBN 978-0486428758 | ||
+ | |||
+ | == Einzelnachweise == | ||
+ | <references /> |
Version vom 6. April 2021, 23:06 Uhr
Willkommen auf meiner Benutzerseite für das Wiki-Projekt "Fun Facts" der Uni Heidelberg!
Hier findet sich ein Prototyp meines Teiles des Wiki-Artikels Gegenbeispiele der Funktionentheorie und Analysis.
Motivation
Die Untersuchung von Gegenbeispielen lässt sich unter anderem durch folgende drei Punkte motivieren:
- Gegenbeispiele können naheliegende und "intuitiv richtige" Aussage, die tatsächlich nicht gelten, widerlegen. So zeigt die Weierstraß-Funktion , dass Stetigkeit auf einem Intervall nicht Differenzierbarkeit in (irgend-)einem Punkt implizieren muss.
- Weiter können diese beweisen, dass zwei Definitionen verschieden sind, und, je nach Situation, möglicherweise auch, wodrin diese Unterschiede liegen. So zeigt die Indikatorfunktion der rationalen Zahlen (in den reellen Zahlen), die Lebesgue-integrierbar, aber nicht Riemann-integrierbar ist, dass diese beiden Definition der Integrierbarkeit/des Integrals nicht zusammenfallen können.
- Schließlich zeigen Gegenbeispiele (einer bestimmten Aussage) meist pathologische Sonderfälle auf, die durch geschickte Wahl der Definition und Voraussetzung der Aussage ausgeschlossen werden können.
Gegenbeispiele der Analysis
Neben der Funktionentheorie und der Topologie lassen sich auch in der Analysis viele Gegenbeispiele finden.
Die Weierstraß-Funktion [1]
Die Weierstraß-Funktion [math]f:\mathbb{R} \rightarrow \mathbb{R}[/math] ist eine stetige Funktion, die in keinem Punkt differenzierbar ist.
Zur Definition wähle man [math]a \in (0,1)[/math] und [math]b \in \mathbb{N}[/math] ungerade, sodass [math]ab \gt 1 + \frac{3\pi}{2}[/math]. Dann ist die Weierstraß-Funktion durch [math]f: \mathbb{R} \rightarrow \mathbb{R}, x \mapsto \sum\limits_{n = 0}^{\infty} a^n \cos\left(b^n \pi x\right)[/math] gegeben.
Man kann zeigen, dass
- die Weierstraß-Funktion [math]f[/math] stetig ist.
- die Weierstraß-Funktion [math]f[/math] in keinem Punkt differenzierbar ist.
AusklappenBeweis der Stetigkeit |
AusklappenBeweis der Nicht-Differenzierbarkeit |
Die modifizierte Dirichlet-Funktion[3]
Eine weitere interessante Funktion, die das intuitive Verständnis der Stetigkeit herausfordert, ist die modifizierte Dirichlet-Funktion.
Diese ist definiert durch [math]g: \mathbb{R} \rightarrow \mathbb{R}, x \mapsto \begin{cases}\frac{1}{q} & \text{für } x = \frac{p}{q} \in \mathbb{Q} \\ 0 & \text{für } x \in \mathbb{R}\setminus\mathbb{Q} \end{cases}[/math], sodass die Funktion folgende sonderbaren Eigenschaften hat:
- Sie ist in den rationalen Zahlen [math]\mathbb{Q}[/math] unstetig.
- Sie ist in den irrationalen Zahlen [math]\mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}[/math] stetig.
AusklappenBeweis der Unstetigkeit in den rationalen Zahlen |
AusklappenBeweis der Stetigkeit in den irrationalen Zahlen |
Die Cantor-Funktion
Die Cantor-Funktion [math]f: [0,1] \rightarrow [0,1][/math] ist ein Funktion, die auf der ebenso unintuitiven Cantor-Menge [math]C \subset [0,1][/math] aufbaut und folgende Eigenschaften besitzt:
- Sie ist monoton wachsend, beginnend bei [math]f(0) = 0[/math] und endend bei [math]f(1) = 1[/math].
- Sie ist in den Punkten [math][0,1] \setminus C[/math] differenzierbar und ihre Ableitung besitzt dort jeweils den Wert [math]0[/math].
Die Indikatorfunktion der rationalen Zahlen
Ein letztes Gegenbeispiel der Analysis ist die Indikatorfunktion [math]\chi_{\mathbb{Q}}: \mathbb{R} \rightarrow \{0,1\}, x \mapsto \begin{cases}1 & \text{für } x \in \mathbb{Q} \\ 0 & \text{für } x \in \mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}\end{cases}[/math] der rationalen Zahlen [math]\mathbb{Q}[/math] in den reellen Zahlen [math]\mathbb{R}[/math], welche die Unterschiedlichkeit der Lebesgue- und Riemann-Integrierbarkeit zeigt.
Denn für ebendiese Funktion [math]\chi_{\mathbb{Q}}[/math] lässt sich zeigen, dass sie:
- Lebesgue-integrierbar ist.
- nicht Riemann-integrierbar ist.
AusklappenBeweis der Lebesgue-Integrierbarkeit |
AusklappenBeweis der Nicht-Riemann-Integrierbarkeit |
Siehe auch
- Cantor-Funktion
Literatur
- Jürgen Appell: Analysis in Beispielen und Gegenbeispielen: Eine Einführung in die Theorie der reellen Zahlen, Springer-Verlag, Berlin [u.a.], 2009, ISBN 978-3-540-88902-1
- Bernard R. Gelbaum und John M. H. Olmsted: Counterexamples in Analysis, Dover Publications, Mineola.], 2003, ISBN 978-0486428758
Einzelnachweise
- ↑ https://math.berkeley.edu/~brent/files/104_weierstrass.pdf
- ↑ Winfried Kohnen: Analysis 1: Vorlesung von Prof. Dr. Kohnen, Kapitel 5.4, Satz 4
- ↑ Jürgen Appell, op. cit., Beispiel 1.12
- ↑ Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie, Kapitel IV, §1. Integration von Treppenfunktionen, 1.2 Definition
- ↑ Winfried Kohnen: Analysis 1: Vorlesung von Prof. Dr. Kohnen, Kapitel 6.2, Bermerkung, i)