Arctic Circle Theorem

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In diesem Artikel wollen wir uns mit dem "Arctic Circle"-Theorem beschäftigen. Wir beginnen damit die Überdeckungen von Schachbrettern mit Dominosteinen zu untersuchen. Danach betrachen wir eine spezielle Form von abgeschnittenen Schachbrettern, den Aztekendiamanten. Wir werden das faszinierende Theorem besprechen und schließlich auf mögliche Anwendungen hinweisen.


Schachbretter und Dominosteine

Normales und Brett mit abgeschnittenen Ecken werden mit Dominosteinen belegt

Ein typisches Schachbrett besteht aus einem Brett mit 8 x 8 Feldern. Diese sind abwechselnd Schwarz und Weiß. Wir stellen uns nun die Frage wie viele 2x1 Dominosteine werden benötigt um ein Schachbrett komplett abzudecken. Offensichtlich gibt es hierbei mehr als eine Möglichkeit das Schachbrett mit Dominosteinen abzudecken, wir sprechen nun immer von einer Überdeckung wenn wir eine solche Möglichkeit meinen. Während wir im Folgenden immer 2x1 Dominosteine betrachen werden, so werden wir die größe und Form der Schachbretter variieren. Wir sprechen dann weiterhin vom (Schach)-Brett. Wir wollen nun die Frage nach der Anzahl der Überdeckungen etwas nach hinten verschieben und uns erst einmal überlegen, wann beliebige Schachbretter überhaupt eine Überdeckung besitzen.

Abgeschnittene Schachbretter

Auf ein normales Schachbrett mit 8 x 8 Feldern passen genau 32 Dominosteine. Was passiert, wenn man nun beliebig Felder aus diesem Schachbrett entfernt? Zu erst wollen wir uns den einfachen Fall ansehen, bei dem die diagonal zueinander liegenden Ecken entfernt werden. Wir haben nun also 62 Felder, die wir mit 31 Dominosteinen abdecken wollen. Hier fällt auch schon die erste Bedingung auf, wir benötigen immer eine gerade Anzahl an Feldern für die Überdeckung mit Dominosteinen. Nun kann man versuchen das verkleinerte Schachbrett zu überdecken. Das muss allerdings unweigerlich scheitern, denn wir haben zwei Felder der gleichen Farbe entfernt. Dominosteine liegen allerdings immer auf einem schwarzen und einem weißen Feld. Dadurch bleiben bei jedem Versuch zwei Felder der gleichen Farbe übrig. Das heißt bei abgeschnittenen Schachbrettern muss immer die gleiche Anzahl an weißen und schwarzen Feldern entfernt werden um ein überdeckbares Schachbrett zu erhalten.

Aztekendiamanten

Aztekenfelder verschiedener Größe

Wir betrachten beim Arctic Circle Theorem oder dem Aztek Diamond nun Schachbretter, bei denen nicht nur 2 Felder entfernt wurden, sondern im allgemeinen [math]n((n/2)-1)[/math] Felder an allen vier Ecken entfernt wurden, sodass eine Raute entsteht. Somit hat das Feld nur noch [math]n((n/2)+1)[/math] Feldern. Die Felder haben dann folgendes Aussehen:

  • Feldgröße 2 x 2 besteht aus 2 schwarzen 2 weißen Feldern
  • Feldgröße 4 x 4 besteht aus 6 schwarzen 6 weißen Feldern
  • Feldgröße 6 x 6 besteht aus 12 schwarzen 12 weißen Feldern
  • Feldgröße 8 x 8 besteht aus 20 schwarzen 20 weißen Feldern
  • ...
  • Feldgröße [math]n \times n [/math] für [math]2 \leq n [/math] besteht aus [math]n((n/2)+1)/2[/math] schwarzen und [math]n((n/2)+1)/2[/math] weißen Feldern.

Auch hier bestehen die Felder aus jeweils gleichvielen verschiedenfarbigen Feldern, da sonst die Überdeckung mit Dominosteinen nicht möglich ist, wie oben Bewiesen.

Pfade über das Schachbrett

Die Felder des Brettes, dem Aztekenfeld, werden durch abdecken des Brettes mit den Dominosteinen eingefärbt. Eingefärbt wird dabei so, dass die Farben festgelegt werden, je nachdem wo das weiße und wo das schwarze Feld ist. Im allgemeinen lässt sich sagen, dass es zwei Arten von Dominosteinen gibt, zum einen senkrechte, zum anderen waagerechte. Zu den waagerechten gehören blau und grün, zu den senkrechten rot und gelb. Die Frage die man sich jetzt also stellen kann ist, ob es einen Weg über das Aztekenfeld gibt bei dem nur auf einer Art von Dominos (waage- oder senkrecht) entlanggegangen werden kann.

Ein möglicher Weg über ein 18 x 18 Feld

Doch gibt es immer einen Weg? Eine Vorüberlegung, die man sich machen kann ist, dass senkrechte Dominosteine entweder oben oder unten auf schwarz liegen, die waagerechten entweder rechts oder links. Ein normaler Dominostein belegt immer ein schwarzes und ein weißes Feld, somit können Dominosteine nur zwei benachbarte Felder belegen. So folgt daraus, dass nach jedem neuen oder nächsten schwarzen Feld entweder ein stehender oder liegender Stein existiert. Also mit [math]50\%[/math] Wahrscheinlichkeit sind zwei benachbarte Dominosteine gleich, und dass nicht nur nach links und rechts sondern auch nach oben und unten. Demnach hat ein Stein in der Mitte [math](1/2)^4[/math] Wahrscheinlichkeit dass alle Felder um ihn der gleichen Art sind. Um einmal von links nach rechts oder oben nach unten zu laufen brauchen die entsprechenden Steine in den Ecken also mindestens n Steine um dies zu schaffen. Auch sind zwei Steine, die (von der Farbe unterschiedlich) gleich von der Anordnung sind, entweder aufeinander gerichtet oder entgegen, beim vergrößern ändert sich somit die Ausrichtung und ein Weg entsteht, der dann nicht von links nach rechts geht sondern von oben nach unten.

Also ergibt sich daraus, da mindestens zwei Seiten eines Dominos von der selben Art belegt werden müssen, dass die Steine * Prozentsatz der Möglichen Kombinationen / n*Tilingzahl = 100% ergeben muss. Da n=Steine, Kombinationen=Tilings und Tilings= [math]2^{n(n+1)/2}[/math] ist, folgt daraus:

[math]n * 2^{(n(n+1))/2}/(n * 2^{(n(n+1))/2}) = n * 1 /n = n/n = 1[/math]

Somit hat jeder Aztek-Diamond auch einen Weg, von einer zur anderen Seite, mit nur einer Art von Dominosteinen.

Die Kasteleyn-Fisher-Temperley-Formel

Diese Formel wurde 1961 entwickelt und beschreibt die Anzahl der möglichen Belegungen eines rechteckigen [math]m\times\ n[/math]-Schachbrettes.

[math]m\times\ n=\ \prod_{j=1}^\frac{m}{2}\prod_{k=1}^\frac{n}{2}\left(4\cos^2{\frac{j\pi}{m+1}}+4\cos^2{\frac{k\pi}{n+1}}\right)[/math]

falls m oder n ungerade sind, wird der dazugehörige Bruch [math]\frac{m}{2}[/math] oder [math]\frac{n}{2}[/math] aufgerundet.


Beispiel der Anwendung dieser Formel anhand eines 2 x 4- Schachbretts:

[math]2\times\ 4=\ \prod_{j=1}^\frac{2}{2}\prod_{k=1}^\frac{4}{2}\left(4\cos^2{\frac{j\pi}{2+1}}+4\cos^2{\frac{k\pi}{4+1}}\right)[/math]

[math]2\times\ 4=\ \prod_{j=1}^{1}\prod_{k=1}^{2}\left(4\cos^2{\frac{j\pi}{3}}+4\cos^2{\frac{k\pi}{5}}\right)[/math]

Nach Auflösen der Produkte ergibt sich folgender Term:

[math]\left(4{cos}^2{\frac{1\pi}{3}}+4{cos}^2{\frac{1\pi}{5}}\right)\left(4{cos}^2{\frac{1\pi}{3}}+4{cos}^2{\frac{2\pi}{5}}\right) = {5}[/math]


Wenn m und n ungerade Zahlen sind, so hat auch das Schachbrett eine ungerade Anzahl an Feldern und kann deshalb nicht gekachelt werden. Die Formel ergibt für diesen Fall immer den Wert 0.


Nun wird die Funktionsweise dieser Formel anhand eines Prinzips verdeutlicht, welches nicht nur für rechteckige Schachbretter, sondern allgemein gültig ist. Hier muss lediglich die Anzahl der schwarzen und weißen Felder identisch sein.

Bestimmung der möglichen Belegungen

In Abbildung 1 ist ein zufälliges und nicht rechteckiges Schachbrett dargestellt. Zunächst werden jeweils die schwarzen und weißen Felder durchgezählt. Die Positionierung der Zahlen spielt hierbei keine Rolle. Anschließend werden alle direkt aneinander liegenden Zahlen in der nebenstehenden Tabelle markiert. Diagonal zueinander befindliche Zahlen sind hierbei ausgeschlossen. Alle in Verbindung stehenden Zahlen werden mit einer 1 markiert. Sind die beiden Zahlen identisch, so werden sie in der Tabelle mit der imaginären Zahl i versehen.

Die entstandene Tabelle kann nun direkt in eine Matrix übernommen werden, aus deren Determinante man die Anzahl der möglichen Belegungen des Schachbrettes ablesen kann.


Mögliche Belegungen

[math]\det \left(\begin{matrix}i&1&0&0&0\\1&i&1&0&0\\0&1&i&1&1\\0&0&0&i&1\\0&0&0&0&i\\\end{matrix}\right) = {3i}[/math]


Das Vorzeichen und die imaginäre Zahl i sind bei den jeweiligen Ergebnissen zu vernachlässigen. Somit beträgt die Anzahl der möglichen Belegungen hier 3. Die unterschiedlichen Möglichkeiten für dieses Beispiel werden in Abbildung 2 dargestellt.

Berechnet man die mögliche Anzahl an Belegungen der [math]2\times n[/math]-Schachbretter in aufsteigender Reihenfolge, so erhält man die Fibonacci Folge.

Aztekendiamant und "Arctic Circle"-Theorem

In der kombinatorischen Mathematik bestehen Aztec-Diamonds der Kardinalität (Ordnung) n aus allen Quadraten, deren Zentrum (x,y), die Gleichung [math]|x|+|y|\lt =n[/math] erfüllen. Wir bezeichnen den n-ten Aztekendiamant mit [math]A(n)[/math]. Die Anzahl wie oft man ein Aztec-Diamond der Ordnung [math]n[/math] legen kann ist [math]2^{\frac{n(n+1)}{2}}[/math]. Das Theorem sagt nun, dass wenn n größer wird, die Ecken des Diamonds jeweils in einer Farbe sind und im Grenzfall [math]n \rightarrow \infty[/math] sich in der Mitte ein perfekter Kreis bildet. Jedes Domino wird genau ein schwarzes und ein weißes Feld treffen. Die Farben werden dann so festgelegt, je nachdem ob rechts, links oder oben, unten weiß oder schwarz ist.

Tanzende Dominosteine

Square Dance

Um einen Aztekendiamanten zu erhalten gibt es verschiedene Methoden. Zum Beispiel könnten viele Diamanten in der gewünschtn Größe erstellt werden, und jeden dieser Diamanten mit einer möglichen Kombination an Dominosteinenen bedecken, sodass alle möglichen Kombinationsmöglichkeiten einmal vorkommen. Aus dieser Menge könnte dann ein zufälliger Aztekendiamant gezogen werden. Das Problem ist, das diese Methode sehr (rechen-)aufwendig ist.

Eine bessere Methode ist die sogenannte Square-Dance-Methode. Hierbei werden ausgehend vom einfachsten Diamanten ( [math] A(1)[/math], ein [math] 2 \times 2[/math] Quadrat) schrittweise beliebig große Aztenkendiamanten aufgebaut. Hierbei wird jeweils eine Farbe mit einer Richtung assoziiert.

Square-Dance-Algorithmus:

  1. [math] 2 \times 2[/math] Diamant zufällig mit zwei Dominosteinen belegen
  2. Den Diamant um eine Ordung erweitern
  3. Prüfen ob zwei Felder aufeinander zeigen, da hier kein Verschieben möglich wäre, diese Felder entfernen.
  4. Die Dominosteine in die zur Farbe gehörige Richung verschieben
  5. Die resultierenden [math] 2 \times 2[/math] Felder zufällig belegen
  6. zurück zu Schritt 2 gehen.

Anhand dieses Vorgehens ist es recht einfach zu sehen wie der Arctic Circle und vor allem die stabilen Ecken entstehen.

Arktischer Kreis und stabile Ecken

Fall 1. rechts und Fall 2. links

Es ist erstaunlich zu sehen, wie trotz des von Anfang an zufälligen Vorgehen, ein Aztekendiamant mit einigen sehr stabilen und geordeneten Regionen entsteht. Das erste Merkmal ist schon nach nur wenigen Iterationen sichtbar, nämlich die stabilen Ecken. Diese Struktur entsteht, da eine Ecke, z.B. oben, entweder:

  1. mit zwei Dominosteinen, die nach rechts und links zeigen ausgefüllt ist, oder
  2. mit einem nach oben zeigendem Stein.

Im ersten Fall, entseht im nächsten Iterationsschritt in der oberen Ecke ein freies [math] 2 \times 2[/math] Feld, was wieder entweder mit 1. oder 2. gefüllt wird. Im zweiten Fall jedoch verschiebt sich dieser Stein jedoch nach und sitzt wieder in der oberen Ecke. Da im ersten Fall die Wahrscheinlichkeit für beide Fälle 50/50 ist, wird irgendwann Fall 2. eintreten. Dieser Stein blockiert dann dauerhaft die obere Ecke. Das selbe Prinzip sorgt dafür, dass unterhalb dieser Spitze sich nach und nach ein immer größer werdendes Feld an gleichen Steinen ansammelt. Dies gilt natürlich für alle Ecken, sodass das charateristisches "Eis" in den Ecken entsteht.

Diese stabile Verschieben in die Ecken sorgt außerdem für einen weiteren Effekt, nämlich dass in der Mitte des Diamanten ein Kreis von ungeordneten Dominosteinen entsteht. Dies ist der Arktische Kreis, der Namensgeber des Arctic Circle Theorem. Das Arctic Circle Theorem besagt weiter, dass die zentrale Region für steigendes n sich einem Kreis mit Radius [math] \frac{n}{\sqrt{2}}[/math] annähert.

Ein großer Aztekendiamant mit erkennbarem arktischem Kreis und stabilen Ecken

Anzahl der Überdeckungen

Nachdem wir nun den Tanz der Dominosteine verstanden haben, wollen wir nun die Anzahl der Überdeckungen für einen beliebigen Aztekendiamant [math] A(n)[/math] berechnen. Wir beginnen mit [math] A(1)[/math] und sehen ein, dass es für diesen genau zwei Überdeckungen gibt. Ausgehend von einer dieser Möglichkeiten schieben wir nun im erweiterten [math] A(2)[/math] die Dominosteine in die durch den Pfeil angezeigte Richtung. Es bleiben nun zwei 4x4 Felder frei, die auf [math] 2^2[/math] Weisen überdeckt werden können. Dies ist das zentrale Argument im rigorosen Beweis der Aussage. Es kann nämlich analog zu unseren Überlegungen gezeigt werden, dass im k-ten Schritt [math] 2^{k}[/math] Möglichkeiten hinzukommen. Insgesamt erhalten wir also für den [math] A(n)[/math] genau [math] 2^{1} \cdot 2^{2} \cdot ... \cdot 2^{n} = 2^{1 + 2 + 3 + ... + n} = 2^{\frac{n(n+1)}{2}}[/math] mögliche Überdeckungen.

[math] [/math]

Quellen

  • Sciencia, Librero, ISBN: 978-90-8998-430-2, Seite 14f.
  • Fermats letzter Satz, Simon Singh, dtv, ISBN: 978-3-423-33052-7, Seite 44-50

Weiterführende Literatur