Benutzer:Jan Agatz

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Version vom 30. März 2021, 18:46 Uhr von Jan Agatz (Diskussion | Beiträge) (Teil des Beweis zu Aussage 2 der Weierstraß-Funktion hinzugefügt.)
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Willkommen auf meiner Benutzerseite für das Wiki-Projekt "Fun Facts" der Uni Heidelberg!

Hier findet sich ein Prototyp meines Teiles des Wiki-Artikels Gegenbeispiele der Funktionentheorie und Analysis.

Motivation

Die Untersuchung von Gegenbeispielen lässt sich u.a. durch folgende drei Punkte motivieren:

  • Gegenbeispiele können naheliegende und intuitiv richtige Aussage, die tatsächlich nicht gelten, widerlegen. So zeigt die Weierstraß-Funktion (Intralink einfügen), dass Stetigkeit auf einem Intervall nicht Differenzierbarkeit in (irgend-)einem Punkt implizieren muss.
  • Weiter können diese beweisen, dass zwei Definitionen verschieden sind, und, je nach Situation, möglicherweise auch wodrin diese Unterschiede liegen. So zeigt die Indikatorfunktion der rationalen Zahlen (in den reellen Zahlen), die Lebesgue-integrierbar, aber nicht Riemann-integrierbar ist, dass diese beiden Definition der Integrierbarkeit/ des Integrals nicht zusammenfallen können.
  • Schließlich zeigen Gegenbeispiele, zu einer bestimmten Aussage, meist pathologische Sonderfälle auf, die durch geschickte Wahl der Definition und Voraussetzung der Aussage ausgeschlossen werden können.

Gegenbeispiele der Analysis

Neben der Funktionentheorie und der Topologie lassen sich auch in der Analysis viele Gegenbeispiele finden.

Die Weierstraß-Funktion

Die Weierstraß-Funktion [math]f:\mathbb{R} \rightarrow \mathbb{R}[/math] ist eine stetige Funktion, die jedoch auf keinem Intervall monoton und in keinem Punkt differenzierbar ist. Sie lässt sich sukzessiv definieren:

  1. Dafür betrachte man zuerst die Funktion [math]f_1: \mathbb{R} \rightarrow \mathbb{R}[/math], die für [math]x \in [-\frac{1}{2}, \frac{1}{2}][/math] durch [math]f_1(x) = |x|[/math] gegeben ist und auf [math]\mathbb{R}[/math] durch [math]f_1(x + k) = f_1(x)[/math] für [math]x \in \mathbb{R}[/math] und [math]n \in \mathbb{N}[/math] periodisch fortgesetzt wird.
  2. Weiter definiert man nun für jedes [math]n \in \mathbb{N}_{>1}[/math] und jedes [math]x \in \mathbb{R}[/math] : [math]f_n(x) := \frac{f_{1}(4^{n - 1} x)}{4^{n - 1}}[/math].
  3. Schließlich setzt man für jedes [math]x \in \mathbb{R}[/math]: [math]f(x):= \sum_{n = 1}^{\infty} f_n(x) = \sum_{n = 1}^{\infty} \frac{f_{1}(4^{n - 1} x)}{4^{n - 1}}[/math]

Nun zeigen wird, dass

  1. die Weierstraß-Funktion [math]f[/math] stetig ist.
  2. die Weierstraß-Funktion [math]f[/math] auf keinem Intervall monoton ist.
  3. die Weierstraß-Funktion [math]f[/math] in keinem Punkt differenzierbar ist.

Beweis der Aussage 1

Die Stetigkeit der Funktion [math]f_1[/math] lässt sich schnell mit einem einfachen [math]\epsilon[/math]-[math]\delta[/math]-Beweis zeigen, und die Stetigkeit der Funktionen [math]f_2, f_3, ...[/math] folgt, da diese als Kompositionen stetiger Funktionen bekannterweise selbst stetig sind.

Weiter gilt für jedes [math]n \in \mathbb{N}[/math] die Abschätzung [math]|f_n| \leq \left(\frac{1}{2}\right)^{2n - 1}[/math], womit aus der Konvergenz der Reihe [math]\sum_{n = 1}^{\infty}\left(\frac{1}{2}\right)^{2n - 1} \leq \sum_{n = 0}^{\infty}\left(\frac{1}{2}\right)^{n} = \frac{1}{1 - \left(\frac{1}{2}\right)} = 2[/math] und dem Majorantenkriterium von Weierstraß die gleichmäßige Konvergenz der Funktionenreihe [math]\sum_{n = 1}^{\infty}f_n[/math].

Schließlich folgt die Stetigkeit der Weierstraß-Funktion aus der bekannten Aussage, dass gleichmäßig konvergente Funktionenreihen stetiger Funktionen selber stetig sind.

Beweis der Aussage 2 Wir nutzen unter anderem die folgende Aussage: Die Menge [math]M := \{k \cdot 4^{-m} | k \in \mathbb{Z}, m \in \mathbb{N}\}[/math] liegt dicht in [math]\mathbb{R}[/math].

Sei nun [math](a - \varepsilon,a + \varepsilon) \subset \mathbb{R}[/math] ein offenes, nichtleeres Intervall. Nach obiger Aussage, existiert nun ein [math]x_0 = k\cdot 4 ^{-m} \in M[/math] zwischen [math]a - \varepsilon[/math] und [math]a + \varepsilon[/math] mit [math]|x_0 - a| \lt \frac{\varepsilon}{4}[/math]. Insbesondere gilt nun für [math]n \gt m[/math], dass [math]f_n(x_0) = \frac{f_1(4^{n - 1} \cdot x_0)}{4^{n - 1}} = \frac{f_1(4^{n - 1 - m}\cdot k)}{4^{n - 1}} = \frac{f_1(0)}{4^{n - 1}} = 0[/math], also [math]f(x_0) = \sum_{n = 1}^{\infty} f_n(x) = \sum_{n = 1}^{m} f_n(x)[/math].

Nun betrachte man weiter [math]h_m := 4^{-2m - 1}[/math] für [math]m \in \mathbb{N}[/math], sodass [math]|h_m| \lt \frac{\varepsilon}{4}[/math]. Es gilt für obiges [math]x_0[/math] nun, dass [math]f(x_0 + h_m) - f(x_0) = \sum_{n = 1}^{2m + 1}(f(x_0 + h_m) - f(x_0)) = \sum_{n = 1}^{m}(f_n(x_0 + h_m) - f_n(x_0)) + \sum_{n = m + 1}^{2m + 1}(f_n(x_0 + h_m) - f_n(x_0))[/math]

Die modifizierte Dirichlet-Funktion

Eine weitere interessante Funktion, die das intuitive Verständnis der Stetigkeit herausfordert, ist die modifizierte Dirichlet-Funktion, gegeben durch [math]g: \mathbb{R} \rightarrow \mathbb{R}, x \mapsto \begin{cases}\frac{1}{q} & \text{für } x = \frac{p}{q} \in \mathbb{Q} \\ 0 & \text{für } x \notin \mathbb{Q} \end{cases}[/math], welche in den rationalen Zahlen [math]\mathbb{Q}[/math] unstetig und in den irrationalen Zahlen [math]\mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}[/math] stetig ist.

Beweis Wir zeigen zuerst die Unstetigkeit in den rationalen Zahlen. Dafür sei [math]x \in \mathbb{Q}[/math] eine beliebige rationale Zahl, sowie [math]p \in \mathbb{Z}, q \in \mathbb{N}[/math] die (eindeutigen) teilerfremden Zahlen, sodass [math]x = \frac{p}{q}[/math]. Damit gilt dann: [math]g(x_0) = \frac{1}{q}[/math].

Sei nun [math]0 \lt \epsilon \leq \frac{1}{q}[/math]. Es ist bekannt, dass für jedes [math]\delta \in \mathbb{R}_{\gt 0}[/math] unendlich viele (und damit auch mindestens eine) irrationale Zahlen in der Umgebung [math]U_\delta (x_0) = (x_0 - \delta, x_0 + \delta)[/math] liegen. Für eine beliebige irrationale Zahl [math]x \in U_\delta (x_0) \cap \mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}[/math] gilt nun: [math]|f(x_0) - f(x)| = |\frac{1}{q} - 0| = \frac{1}{q} \geq \varepsilon[/math].

Da [math]\delta[/math] beliebig gewählt war, kann [math]g[/math] nicht stetig in [math]x_0[/math] sein. Da [math]x_0[/math] beliebig gewählt war, ist nirgendwo in [math]\mathbb{Q}[/math] stetig.

Nun zeigen wir, dass [math]g[/math] in den irrationalen Zahlen stetig ist. Sei dafür [math]x \in \mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}[/math] eine beliebige irrationale Zahl und [math]\varepsilon \gt 0[/math]. Nun setze man [math]\delta_1 = \varepsilon[/math]. Weiter bezeichne [math]M_{\delta_1} := \{y \in (x_0 - \delta_1, x_0 + \delta_1) | |g(y)| = |g(y) - g(x_0)| \geq \varepsilon\}[/math] die Menge aller Punkte im Intervall [math](x_0 - \delta_1, x_0 + \delta_1)[/math], die "Stetigkeitsungleichung" [math]|g(y) - g(x_0)| \geq \varepsilon[/math] nicht erfüllen.

Per Konstruktion der Funktion [math]g[/math], gilt für die Menge [math]\mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}[/math] der irrationalen Zahlen bereits, dass [math]g\left(\mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}\right) \equiv 0[/math], also [math]M_{\delta_1} \subseteq \mathbb{Q}[/math]. Sei nun also [math]x = \frac{p}{q} \in M_{\delta_1} \subseteq \mathbb{Q}[/math]. Nun gilt [math]\frac{1}{q} = g(x) = |g(x)| = |g(x) - g(x_0)| \geq \varepsilon[/math], also auch [math]q \leq \frac{1}{\varepsilon}[/math]. Da die Menge [math]N := \{n \in \mathbb{N} | n \leq \frac{1}{\varepsilon}\}[/math] offensichtlich endlich ist, können nur endlich viele Nenner [math]q_1, q_2, ..., q_n \in N[/math] in den (rationalen) Zahlen aus [math]M_{\delta_1}[/math] vorkommen. Da [math](x_0 - \delta_1, x_0 + \delta_1)[/math] beschränkt ist, können somit nur endlich viele rationale Zahlen mit Nennern [math]q_1, q_2, ..., q_n[/math] in [math](x_0 - \delta_1, x_0 + \delta_1)[/math] und somit in [math]M_{\delta_1}[/math] sein. Da [math]M_{\delta_1}[/math] in den rationalen Zahlen enthalten ist, ist [math]M_{\delta_1}[/math] somit endlich. Es kann also ohne Probleme ein [math]0 \lt \delta_0 \leq \delta_1[/math] gefunden werden, sodass [math](x_0 - \delta_0, x_0 + \delta_0) \cap M_{\delta_1} = \emptyset[/math].

Per Konstruktion von [math]M_{\delta_1}[/math] und [math]\delta_0[/math] gilt nun insbesondere, dass [math]g((x_0 - \delta_0, x_0 + \delta_0)) \subseteq (g(x_0) - \varepsilon, g(x_0) + \varepsilon)[/math]. Da [math]\varepsilon[/math] beliebig gewählt war, ist [math]g[/math] in [math]x_0[/math] stetig. Da [math]x_0[/math] beliebig (aus den irrationalen Zahlen [math]\mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}[/math]) gewählt war, ist [math]g[/math] in den irrationalen Zahlen [math]\mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}[/math] stetig.

Die Cantor-Funktion

(Intralink einfügen) Die Cantor-Funktion [math]f: [0,1] \rightarrow [0,1][/math] ist Funktion, die auf der ebenso unintuitiven Cantor-Menge [math]C \subset [0,1][/math] aufbaut und folgende Eigenschaften besitzt:

  1. Sie ist monoton wachsend, beginnend mit [math]f(0) = 0[/math] und endend mit [math]f(1) = 1[/math].
  2. Sie ist in den Punkten [math][0,1] \setminus C[/math] differenzierbar und ihre Ableitung besitzt dort jeweils den Wert [math]0[/math].

Die Indikatorfunktion der rationalen Zahlen [math]\mathbb{Q}[/math]

(Link zu Wikipedia "Indikatorfunktion" einfügen) Ein letztes Gegenbeispiel der Analysis, welches bereits in dem Abschnitt "Motivation" (Intralink einfügen) angesprochen wurde, ist die Indikatorfunktion [math]\chi_{\mathbb{Q}}: \mathbb{R} \rightarrow \{0,1\}, x \mapsto \begin{cases}1 & \text{für } x \in \mathbb{Q} \\ 0 & \text{für } x \in \mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}\end{cases}[/math] der rationalen Zahlen [math]\mathbb{Q}[/math] in den reellen Zahlen [math]\mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}[/math], welche die Unterschiedlichkeit der Lebesgue- und Riemann-Integrierbarkeit (Links zu Wikiepdia-Artikeln einfügen) zeigt.

Den für ebendiese Funktion [math]\chi_{\mathbb{Q}}[/math] lässt sich zeigen, dass sie:

  1. Lebesgue-integrierbar ist.
  2. nicht Riemann-integrierbar ist.

Beweis der Lebesgue-Integrierbarkeit: Nach der Definition des Lebesgue-Integrals gilt bereits: [math]\int_\mathbb{R} \chi_\mathbb{Q} \mathrm{d}\mathbb{\lambda} = \mathbb{\lambda} = 0[/math]. Insbesondere ist [math]\chi_\mathbb{Q}[/math] also Lebesque-integrierbar.

Beweis der Riemann-Integrierbarkeit Bekanntermaßen impliziert die Riemann-Integrierbarkeit einer Funktion [math]f[/math], dass sie der gleichmäßige Grenzwert einer Folge [math](t_n)_{n \in \mathbb{N}}[/math] von Treppenfunktion ist, also [math]\lim_{n \rightarrow \infty}\|f - t_n\|_\infty = \lim_{n \rightarrow \infty}\sup_{x \in \mathbb{R}}|f(x) - t_n(x)| = 0[/math] gilt.

Betrachtet man nun die Funktion [math]f = \chi_\mathbb{Q}[/math], so sieht man schnell ein, dass diese kein gleichmäßiger Grenzwert von Treppenfunktionen seien kann, da für jede beliebige Treppenfunktion mit beliebigen Stützpunkten und beliebigen Werten zwischen diesen Stützpunkten immer [math]\lim_{n \rightarrow \infty}\|\chi_\mathbb{Q} - t_n\|_\infty \geq \frac{1}{2} \neq 0[/math]. Denn in dem Intervall zwischen je zwei Stützpunkten einer Treppenfunktion (auf dem die Treppenfunktion per Definition konstant einen Wert [math]w \in \mathbb{R}[/math] annimmt) liegen (jeweils unendlich viele, also auch jeweils mindestens eine) rationale Zahl [math]x \in \mathbb{Q}[/math] und eine irrationale Zahl [math]y \in \mathbb{R}\setminus\mathbb{Q}[/math] mit [math]\chi_\mathbb{Q}(x) = 1[/math] und [math]\chi_\mathbb{Q}(y) = 0[/math]. Offensichtlich gilt nun [math]max\{|\chi_\mathbb{Q}(x) - w|, |\chi_\mathbb{Q}(y) - w|\} \geq \frac{1}{2}[/math]. (Satzstruktur verbessern)