Matrixgruppen in der Physik

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Grundbegriffe der Gruppentheorie

Allgemeine Definition

In der Mathematik bezeichnet der Begriff der Gruppe [math](G,\cdot)[/math] ein Tupel bestehend aus einer Menge [math]G[/math] und einer wohldefinierten Abbildung [math]\cdot : G\times G\to G;\ (x,y)\mapsto x\cdot y[/math] welche folgende Eigenschaften, genannt Gruppenaxiome erfüllt:

  • Assoziativität:
[math]\forall a,b,c\in G:[/math] [math](a\cdot b)\cdot c=a\cdot(b\cdot c)[/math]
  • Neutrales Element:
[math]\exists! e\in G\ \forall a\in G:[/math] [math]e\cdot a=a\cdot e=a[/math]
  • Inverses Element:
[math]\forall a\in G\ \exists !a^{-1}\in G:\quad[/math] [math]a\cdot a^{-1}=a^{-1}\cdot a=e[/math]

Wichtig hier ist, dass das Neutrale Element [math]e[/math] sovie für jedes Gruppenelement [math]a[/math] das Inverse [math]a^{-1}[/math] eindeutig ist.

Eine Gruppe heißt abelsch, falls sie zudem noch ein viertes Axiom erfüllt:

  • Kommutativität:
[math]\forall a,b\in G:[/math] [math] a\cdot b=b\cdot a [/math]

Beispiele:

  • [math](\mathbb{Z},+)[/math]: Die ganzen Zahlen mit der gewöhnlichen Addition bilden eine abelsche Gruppe. Das Neutrale Element ist die 0 und das Inverse zu einer ganzen Zahl [math]n[/math] ist [math]-n[/math].
  • [math](\mathbb{Q}\backslash\{0\},\cdot)[/math]: Die rationalen Zahlen ohne die Null bilden mit der Multiplikation eine abelsche Gruppe.
  • [math](S_n,\circ)[/math]: Die symmetrische Gruppe vom Grad [math]n[/math] ist mit der Komposition (bzw. Hintereinanderausführung) eine Gruppe. Für [math]n\geq3[/math] ist sie jedoch nicht abelsch.

Untergruppen

Als Untergruppe [math](U,\cdot)\subset (G,\cdot)[/math] bezeichnet man eine nichtleere Teilmenge einer Gruppe [math](G,\cdot)[/math] welche selber wieder eine Gruppe ist, d.h. wieder die Gruppenaxiome erfüllt. Insbesondere ist sie abgeschlossen, d.h. es gilt [math]\forall a,b\in U:\ \ a\cdot b\in U[/math]

Eine äquivalente Definition ist, dass eine Nichtleere Teilmenge [math]U\subset G[/math] genau dann eine Untergruppe ist, falls gilt:

[math]\forall a,b\in U: \quad a\cdot b^{-1}\in U[/math]
Beweis der Äquivalenz  
Wir beweisen die Äquivalenz, indem wir die hin- und Rückrichtung beweisen:

[math] \Rightarrow [/math]: Folgt direkt aus der Abgeschlossenheit der Gruppen und der Gruppenaxiome.

[math]\Leftarrow[/math]: Hierzu müssen wir die Gruppenaxiome überprüfen:

Assoziativität: Da für alle Elemente der Untergruppe die Verknüpfung nach vie vor noch innerhalb der Gruppe geschieht, wird die Assoziativität von der Obergruppe [math]G[/math] vererbt.

Neutrales Element: Sei ein [math]a\in U[/math] gegeben. Da [math]U[/math] nichtleer ist, existiert (unter Verwendung des Auswahlaxioms) ein solches Element. Somit folgt nach Vorraussetzung:

[math]e=a\cdot a^{-1}\in U[/math]

Somit ist das neutrale Element [math]e[/math] in [math]U[/math] erhalten.

Inverses Element: Sei ein [math]a\in U[/math] gegeben. Wie oben gezeigt, ist das neutrale Element in U enthalten. Somit gilt nach Vorraussetzung:

[math]a^{-1}=e\cdot a^{-1}\in U[/math]

Somit ist für jedes Element in [math]U[/math] auch das Inverse in [math]U[/math] enthalten. Die Eindeutigkeit folgt aus der Eindeutigkeit des Inversen in [math]G[/math].

Damit erfüllt [math]U[/math] alle Gruppenaxiome und die beiden Definitionen sind äquivalent.


Aus dieser Definition folgen direkt einige Eigenschaften von Untergruppen:

  • Das Neutrale Element ist in jeder Untergruppe enthalten.
  • Für jedes Element einer Untergruppe ist auch das Inverse in der Untergruppe enthalten.
  • Der Schnitt zweier Untergruppen ist wieder eine Untergruppe.


Lie-Gruppen

Eine, für die Physik besonders wichtige, Klasse fon Gruppen sind sogenannte Lie-Gruppen (benannt nach dem norwegischen Mathematiker Sophus Lie). Diese sind reellle, differenzierbare Mannigfaltigkeiten (also Teilmengen des [math]\mathbb{R}^m[/math], welche lokal wie der [math]\mathbb{R}^n[/math] ([math] m\geq n[/math]) aussehen), welche mit einer Gruppenstruktur versehen sind. Dabei muss die Verknüpfung und die Inversenbildung beliebig oft differenzierbar sein :

[math]\left(\cdot: G\times G\to G\right)\in C^\infty[/math]
[math]\left(i:G\to G; x\mapsto i(x)=x^{-1}\right)\in C^\infty[/math]

Wichtig ist, dass eine Untergruppe einer Lie-Gruppe nicht zwangsweise wieder eine Lie-Gruppe sein muss.

Beispiel: die allgemeine lineare Gruppe [math]GL_n(\mathbb{R})[/math]

Die allgemeine lineare Gruppe [math]GL_n(\mathbb{R})[/math], also die Menge aller invertierbarer [math]n\times n[/math]-Matrizen mit reellen Einträgen, ist eine Lie-Gruppe ([math]GL_n(\mathbb{R})[/math] ist eine offene Teilmenge von [math]Mat(n\times n,\mathbb{R})\cong \mathbb{R}^{n^2}[/math] und damit eine glatte, reellwertige Mannigfaltigkeit). Die Differentiale der Matrixmultiplikation und der Inversenbildung lauten:

[math] \begin{array}{ll} D_{\hat{A},\hat{B}}m(A,b)=\hat{A}B+A\hat{B} &\forall\hat{A},\hat{B},A,B\in GL_n(\mathbb{R})\\ D_{\hat{A}}i(A)=-A^{-1}\hat{A}A^{-1} &\forall\hat{A}A\in GL_n(\mathbb{R}) \end{array}[/math]

Matrizen und Matrixgruppen

Eine Matrix ist eine Anordnung von mathematischen Objekten in Rechteckform, für die bestimmte Rechenoperationen definiert sind. In der Physik werden sie sowohl als Darstellung linearer Abbildungen als auch als Wertesammlung und zur Lösung linearer Gleichungssysteme genutzt. Dabei wird häufig auf Konzepte der Eineindeutigkeit, d. h. Umkehrbarkeit, oder Symmetrie zurückgegriffen, wenn mit Matrizen gearbeitet wird.

...

Häufig werden in der Physik Matrizen zur Beschreibung von Transformationen eines Objektes im Raum genutzt. Insbesondere werden anschauliche lineare Abbildungen im zwei- und dreidimensionalen Raum häufig genutzt, vierdimensionale Matrizen sind z. B. bei relativistischen Berechnungen häufig anzutreffen. Höherdimensionale Matrizen sind spielen häufig eine untergeordnete Rolle. Dabei ist mitunter weniger der Gruppencharakter als die elegante Beschreibung und einfache Berechnung von Bedeutung. Nichtsdestotrotz sollen auch solche Matrizen erwähnt werden.

Beispiel: Matrizenoptik

Ein Beispiel für Matrizen in der Experimentalphysik ist die sogenannte Matrizenoptik. Unter der Prämisse der geradlinigen Ausbreitung von Lichtstrahlen, die als Geraden behandelt werden können, lassen sich optische Systeme mithilfe von linearen Transformationen leicht berechnen. Betrachtet man die Ausbreitung eines Lichtstrahls unter einem kleinen Winkel zu einer Achse, so ist jener Strahl durch den Winkel und die Entfernung auf der Achse vollständig bestimmt. Die Linearisierung tan(α) = α erlaubt es, den Strahl als Vektor mit den Komponenten des Abstandes und des Winkels zu beschreiben. Es gilt also für den Vektor [math]\textbf{r} = (r, \alpha)[/math], der einen Lichtstrahl charakterisiert, dass das Zurücklegen einer Strecke [math]b[/math]entlang der jeweiligen Achse durch eine Matrix beschrieben werden kann, die im einfachen Fall zweier Dimensionen durch

[math]\begin{bmatrix} 1 & b \\ 0 & 1 \end{bmatrix}[/math]

gegeben ist. Der Lichtstrahl wird also, nachdem er die Strecke [math]b[/math]entlang der Achse unter einem Winkel α zurückgelegt hat, durch

[math]\textbf{r} = \begin{bmatrix} 1 & b \\ 0 & 1 \end{bmatrix} (r, \alpha) = (r + \alpha b , \alpha) [/math]

beschrieben. Konvention ist häufig, die Achse, bezüglich derer die Propagation, d. h. Ausbreitung des Lichtstrahls berechnet wird, als z-Achse zu benennen. Zudem gilt zumeist: die Strahlrichtung läuft von links nach rechts, die Steigung ist positiv, wenn der Strahl von der Achse wegläuft, und es werden bestimmte Annahmen bezüglich des Vorzeichens des Radiuses von Flächen, der Bildweite und -größe getroffen. Folgende Matrizen können angewandt werden, um typische Operationen zu berechnen:

Operation Matrix
Translation [math]\begin{bmatrix} 1 & b \\ 0 & 1 \end{bmatrix} [/math]
Brechung [math]\begin{bmatrix} 1 & 0 \\ 0 & \frac{n_1}{n_2} \end{bmatrix} [/math]
dünne Linse [math]\begin{bmatrix} 1 & 0 \\ -\frac{1}{f} & 1 \end{bmatrix} [/math]
gekrümmter Spiegel [math]\begin{bmatrix} 1 & 0 \\ -\frac{2}{r} & 1 \end{bmatrix} [/math]

Hierbei stehen [math]n_1, n_2[/math] für die Brechungsindices der Medien, die das Licht in dieser Reihenfolge passiert, [math]f[/math] für die Brennweite der Linse und [math]r[/math] für den Radius des gekrümmten Spiegels. Auch komplexere Elemente wie andere Linsen und Spiegel oder Fasern lassen sich so beschreiben. Dieser Formalismus erlaubt durch Hintereinanderausführung eine vergleichsweise einfache Berechnung selbst von Aufbauten, die viele optische Elemente enthalten. Klassische Eigenschaften von Matrizen wie z. B. die Determinante sind auch hier bedeutsam, beispielsweise muss die Determinante einer Translationsmatrix immer eins sein, allerdings nur vom Betrag, da auch Spiegelungen zugelassen sind.[1]

andere Anwendungen von Matrizen

Mitunter werden Matrizen auch nicht im Sinne einer Transformation, sondern als eine Form von Darstellung z. B. für einen Tensor oder einen Gewichtungsfaktor genutzt.

Beispielsweise lassen sich Tensoren als Matrizen darstellen, z. B. das Kronecker-Delta als 2x2-Einheitsmatrix.

[math]\delta_{ij} = \begin{bmatrix} \delta_{11} & \delta_{12} \\ \delta_{21} & \delta_{22} \end{bmatrix} = \begin{bmatrix} 1 & 0 \\ 0 & 1 \end{bmatrix} [/math]

Der Trägheitstensor, einer "Verallgemeinerung" des Trägheitsmomentes, gibt an, wie träge ein Körper gegenüber einer Änderung der Winkelgeschwindigkeit um eine seiner Achsen ist. Im Trägheitstensor ist diese Eigenschaft bezüglich verschiedener Achsen dargestellt, und er wird zumeist als Matrix notiert. Dabei entsprechen z. B. symmetrische Darstellungen oder Matrizen in Diagonalgestalt direkt den physikalischen Eigenschaften des Objektes, u. a. in Form von Symmetrien.

[math]I= \begin{bmatrix} I_{11} & I_{12} & I_{13} \\ I_{21} & I_{22} & I_{23} \\ I_{31} & I_{32} & I_{33} \end{bmatrix} [/math],

Trägheitstensor einer Punktmasse mit Abstand r auf der 1-Achse:

[math]I= m r^2 \begin{bmatrix} 0 & 0 & 0 \\ 0 & 1 & 0 \\ 0 & 0 & 1 \end{bmatrix} [/math]

Im Lagrange-Formalismus der klassischen Mechanik lässt sich die Lagrange-Funktion, deren Extremalisierung zentraler Bestandteil des analystischen Lösungsprozesses zur Bestimmung der Bewegungsgleichungen eines Systems ist, mitunter durch Matrizen darstellen. Dadurch ist die Berechnung vereinfacht und es können bestimmte Eigenschaften des Systems, z. B. Schwingungsfrequenzen (sog. Normalmoden), bestimmt werden. Hierbei wird zwar der Matrizenformalismus zur Berechnung genutzt, zugleich muss aber beachtet werden, inwiefern diese Matrix physikalische Realität besitzt. Dieses Argument wird bspw. verwendet, um die Symmetrie jener Matrix zu begründen.

In der Elektrotechnik werden häufig lineare Gleichungssysteme von Schaltkreisen mithilfe von Matrizenmultiplikation beschrieben.

Auch die Jacobi- und Hessematrix werden in der Physik genutzt, z. B. bei der Transformation von Integralen oder bei der mehrdimensionalen Taylorentwicklung.

  1. "Optik, Licht und Laser", 3. Auflage, Meschede, Dieter, Vieweg+Teubner, S. 20 - 33