Zauberhafte Invarianten
Zaubertricks
Was sind Invarianten?
Definition
Eine Invariante ist eine Eigenschaft, die bei einer bestimmten Operation nicht verändert wird.
Beispiele
- Die Eigenschaft eine gerade Zahl zu sein ist eine Invariante unter der Multiplikation mit beliebigen ganzen Zahlen
- Linearität einer Abbildung ist eine Invariante unter Komposition von Abbildungen
Was bringen uns Invarianten in der Zauberei?
Bei einem Kartentrick können wir uns Invarianten zu nutze machen, indem wir beim Durcheinanderbringen des Kartenstapels nur Operationen nutzen, die gewünschte Eigenschaften unverändert lassen.
So können wir erreichen, dass eine Eigenschaft trotz des Mischens nicht verloren geht. Eine solche Eigenschaft könnte etwa sein, dass die roten und schwarzen Karten innerhalb eines Stapels in verschiedene Richtungen zeigen .
Natürlich darf es nicht zu offensichtlich und einfach sein, da sonst der Effekt des Zauberns verloren geht.
Die Mathematik hinter dem Zaubern
Für Trick 1:
Notation
Sei [math]2n , n \in \mathbb{N}[/math] die Anzahl Karten mit zwei unterscheidbaren Merkmalen, wobei immer nur eines der beiden auf eine Karte zutrifft. (Schwarz oder Rot,"kleiner als 8" und "größer oder gleich 8" ). Außerdem gibt es [math] n [/math] Karten mit Merkmal 1 und [math] n [/math] Karten mit Merkmal 2.
Es ist erlaubt, dass einige Karten umgedreht sind, diese Zustände werden wie folgt geschrieben: [math]r[/math] ist eine Karte mit Merkmal 1 und [math]-r[/math] ist eine um gedrehte Karte mit Merkmal 1. Analog bei Karten mit Merkmal 2, die mit [math]s[/math] bezeichnet werden.
Der ganze Stapel wird beschrieben durch eine Folge [math](x_1,x_2,\dots,x_{2n})[/math], wobei [math]x_i \in \{r,-r,s,-s\}\ \forall i \in \{1,\dots,2n\}[/math] und [math]x_1[/math]die oberste Karte des Stapels ist. Die Menge dieser Folgen sei [math]\Delta_{2n}[/math], sie hat offensichtlich [math]4^{2n}[/math] Elemente.
Beispiel
Definition( Eigenschaft [math]\epsilon[/math])
Ein [math](x_1,\dots,x_{2n}) \in \Delta_{2n}[/math] erfüllt die Eigenschaft [math]\epsilon[/math], wenn gilt: [math]x_2, x_4, x_6, \dots \in \{r,-s\}[/math] und [math]x_1, x_3, x_5, \dots \in \{-r,s\}[/math] oder umgekehrt.
D.h. das umdrehen jeder zweiten Karte bewirkt, dass die Karten mit Merkmal 1 innerhalb des Stapels in eine andere Richtung zeigt als die Karten mit Merkmal 2. Die Menge der Folgen mit [math]\epsilon[/math] bezeichnen wir mit [math]\Delta_{2n, \epsilon}[/math].
Beispiele für Stapel mit Eigenschaft [math]\epsilon[/math]
- [math](r,s,r,s,r,s,r,s)[/math]
- [math](s,r,s,r,s,r,s,r)[/math]
- [math](s,-s,-r,r,s,-s,-r,r)[/math]
Zugelassene Handlungen
Wir wollen nun Handlungen finden, die die Eigenschaften [math]\epsilon[/math] beibehalten.
Diese Handlungen sollen sein:
- Reihenfolge verändern
- Karten umdrehen
Die Vorschriften sollen auf alle Folgen auf die selbe Weise angewendet werden können.
Diese Handlungen "verpacken" wir in Abbildungen [math]\Phi [/math] auf [math]\Delta_{2n, \epsilon}[/math].
Diese Handlungen werden auch Hummeraktionen genannt, da die ursprüngliche Idee von Bob Hummer stammt.[1]
Beispiele
- [math] \phi(x_1,\dots, x_{2n}) := (x_1, -x_2, x_3, -x_4,\dots, x_{2n-1}, -x_{2n} )[/math] z.B, ist [math] \phi(s,r,s,r,s,r,s,r) = (s,-r,s,-r,s,-r,s,-r) [/math]Hier wird Eigenschaft [math]\epsilon[/math] nichtmehr beibehalten.
- [math] \phi(x_1,\dots, x_{2n}) := (x_{2n}, \dots, x_1) [/math] z.B. [math] \phi(s,r,s,r,s,r,s,r) = (r,s,r,s,r,s,r,s) [/math]
Eigenschaften der Abbildungen
Die Menge der Abbildungen, die [math]\epsilon[/math] beibehalten nennen wir [math]\mathcal{G} [/math].
Nun wollen wir wissen für welche [math]\Phi \in \mathcal{G} [/math] gilt, dass für eine Folge [math](x_1,\dots,x_{2n}) \in \Delta_{2n, \epsilon}[/math] auch gilt [math]\phi((x_1,\dots,x_{2n})) \in \Delta_{2n, \epsilon}[/math].
Also welche Abbildungen [math]\Phi \in \mathcal{G} [/math] die Menge [math]\Delta_{2n, \epsilon}[/math] invariant lassen.
Nennen wir diese Menge [math]\mathcal{G}_{\epsilon} [/math].
Satz (Gruppe der Abbildungen)
[math] (\mathcal{G}, \circ) [/math] ist eine Gruppe mit Untergruppe [math] (\mathcal{G}_\epsilon, \circ) [/math].
AusklappenBeweis |
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Handlung 1 (Abheben)
Sei [math]1 \leq k \leq 2n [/math]. Wir bezeichnen die erste Handlung mit [math]\mathcal{A} _k [/math] und definieren diese so:
[math]\mathcal{A} _k((x_1,\dots,x_{2n})) :=(x_{k+1},\dots,x_{2n},x_1,\dots,x_{k}) [/math][1].
In Worten: [math]\mathcal{A} _k [/math] stellt das Abheben von k Karten dar, die anschließend wieder unter den Stapel gelegt werden.
Diese Handlung ist in [math]\mathcal{G}_{\epsilon} [/math].[1]
AusklappenBeweis[1] |
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Handlung 2 (Umdrehen)
Sei [math]1 \leq 2l \leq 2n [/math] mit [math]2l [/math] gerade. Wir bezeichnen die zweite Handlung mit [math]\mathcal{U} _{2l} [/math] und definieren so
[math]\mathcal{U} _{2l}((x_1,\dots,x_{2n})) :=(-x_{2l},-x_{2l-1},...,-x_{1},x_{2l+1},...,x_{2n}) [/math][1].
In Worten: [math]\mathcal{U} _{2l} [/math] stellt das Umdrehen des oberen Stapels mit 2l Karten dar, die anschließend wieder auf den Stapel gelegt werden.
Diese Handlung ist in [math]\mathcal{G}_{\epsilon} [/math].[1]
AusklappenBeweis[1] |
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Handlung 3
Seien [math] r[/math], [math] 2l [/math] Zahlen, so dass [math] 1 \leq r \lt r + 2l \leq 2n [/math]. Wir bezeichnen die dritte Handlung mit [math] \mathcal{U}_{r,2l} [/math] und definieren diese so:
[math] \mathcal{U}_{r,2l}(x_1, ..., x_{2n}) := (x_1, ... , x_{r},-x_{r+2l}, -x_{r+2l-1}, ... , -x_{r+1}, x_{2l+1}, ... , x_{2n}) [/math].[1]
In Worten: Die ersten [math] r [/math] Karten werden unverändert gelassen, die nächsten [math] 2l [/math] Karten alle umgedreht und ihre Reihenfolge invertiert. Die restlichen Karten werden unverändert gelassen.
Diese Handlung ist in [math]\mathcal{G}_{\epsilon} [/math].[1]
AusklappenBeweis[1] |
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Handlung 4 (Invertieren)
Invertieren [math] I [/math] ist definiert durch
[math] I(x_1, ... , x_{2n}):= (x_{2n}, ... , x_1)[/math],
und ist ein Element von [math]\mathcal{G}_{\epsilon} [/math].[1]
AusklappenBeweis[1] |
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Für Trick 2:
Notation
Für diesen Trick genügt auch eine ungerade Zahl an Karten.
Sei [math]n \in \mathbb{N} [/math] die Anzahl der Karten und [math] (x_1,\dots,x_n) [/math] die Folge der Karten.
Der Zuschauer zieht die Karte [math]x_i , 1\le i \le n [/math].
Diese Folge wird geteilt an Stelle [math] j , 1\le j \le n [/math] mit [math] j \neq i [/math] und Karte [math]x_i [/math] wird unter [math] x_n [/math] gelegt. Somit erhalten wir die Folge [math](x_j,\dots,x_{n},x_{i},x_{1},\dots,x_{j-1}) [/math].
Definition( Eigenschaft [math]\mathcal{Z} [/math])
Eine Folge erfüllt die Eigenschaft [math]\mathcal{Z} [/math], wenn gilt: [math] x_i [/math] liegt hinter [math] x_n [/math]
Hierbei gilt, dass wir die Folge zyklisch betrachten, dh. auf die hinterste Karte folgt wieder die Erste.
Bei diesem Trick wird nur Handlung 1, also das Abheben benötigt .
Handlung 1 (Abheben)
Sei [math]1 \leq k \leq n [/math]. Wir bezeichnen die erste Handlung mit [math]\mathcal{A} _k [/math] und definieren diese so:
[math]\mathcal{A} _k((x_1,\dots,x_{n})) :=(x_{k+1},\dots,x_{n},x_1,\dots,x_{k}) [/math][1].
In Worten: [math]\mathcal{A} _k [/math] stellt das Abheben von k Karten dar, die anschließend wieder unter den Stapel gelegt werden.
Diese Handlung behält Eigenschaft [math]\mathcal{Z} [/math] bei .
AusklappenBeweis |
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Für Trick 3:
Notation
Unser Stapel besteht bei diesem Trick aus [math]2n , n \in \mathbb{N} [/math]Karten, wobei jede Karte einen Partner besitzt und somit [math]n [/math] Paare erhalten.(Bsp. Herz Dame und Herz König, Herz 7 und Karo 7, usw.)
Nun wird der Stapel so sortiert, dass wir die Folge [math](x_{1_{1}},x_{2_{1}},x_{3_{1}}, \dots, x_{n_{1}},x_{1_{2}},x_{2_{2}},x_{3_{2}}, \dots, x_{n_{2}} ) [/math]erhalten, mit [math]x_{i_{1}}, x_{i_{2}}, [/math]sind Partner.
Definition( Eigenschaft [math]\mathcal{T} [/math])
Eine Folge erfüllt die Eigenschaft [math]\mathcal{Z} [/math], wenn gilt: [math] x_{i_{1}} [/math] liegt [math]n [/math] vor [math] x_{i_{2}} [/math] mit [math]1 \leq i \leq n [/math]
Also ist [math]\mathcal{Z} [/math]der "zyklische Abstand":
Sei K und K‘ zwei Karten eines Stapels. Dann ist der zyklische Abstand [math]n [/math] wie viele Karten weiter von K man zählen muss, um nach K‘ zu kommen.
Hierbei gilt, dass wir die Folge zyklisch betrachten, dh. auf die hinterste Karte folgt wieder die Erste.
Bei diesem Trick wird nur Handlung 1, also das Abheben benötigt .
Handlung 1 (Abheben)
Sei [math]1 \leq k \leq n [/math]. Wir bezeichnen die erste Handlung mit [math]\mathcal{A} _k [/math] und definieren diese so:
[math]\mathcal{A} _k((x_1,\dots,x_{n})) :=(x_{k+1},\dots,x_{n},x_1,\dots,x_{k}) [/math][1].
In Worten: [math]\mathcal{A} _k [/math] stellt das Abheben von k Karten dar, die anschließend wieder unter den Stapel gelegt werden.
Diese Handlung behält Eigenschaft [math]\mathcal{T} [/math] bei .
AusklappenBeweis |
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Mathematische Erklärung der Zaubertricks
Die genaue Erklärung der Tricks finden Sie im Video am Anfang der Seite.
Trick 1 [2]
Die Kartenanzahl ist gerade.
Daher wechseln sich die Karten bezüglich der Eigenschaft auch am Ende des Stapels ab, wenn die erste Karte des Stapels die nächste ist. Somit bleibt diese abwechselnde Anordnung auch nach dem Abheben beliebig vieler Karten erhalten.
Da nach dem Zeigen der Karten die Reihenfolge der beiden Zuschauerkarten verdreht wird, sind diese die einzigen Karten im Stapel, die aus der Reihe tanzen. Somit sind sie leicht zu entdecken.
Natürlich kann statt "Schwarz oder Rot" auch beispielsweise "kleiner als 8" oder "mindestens 8" gewählt werden (was weniger auffällig ist). [2]
AusklappenBeweis |
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Trick 2
Wir schauen uns die unterste Karte des Stapels an bevor wir den Zuschauer eine Karte ziehen lassen. Dadurch dass wir die Karte des Zuschauers nur vermeintlich willkürlich in die Mitte des Stapels sortieren, aber sie in Wirklichkeit unter die Karte gelegt wird,die zuvor die unterste Karte war, haben wir eine "Ordnung" mit der wir arbeiten können.
In diesem Trick ist die Invariante [math]\mathcal{Z} [/math] die Eigenschaft, dass die gesuchte Karte die Karte hinter der vorherigen untersten Karte (in diesem Fall der Pik König) ist. (Im Fall, dass die vorher unterste Karte jetzt nun auch nach dem Mischen die unterste ist ist die gezogene Karte die oberste auf dem Stapel, das wir die Folge auch zyklisch betrachten können )
Beim Mischen wird nur Handlung 1, also das Abheben der Karten, verwendet. Hierbei wird [math]\mathcal{Z} [/math]nicht verletzt (Beweis oben).
Somit muss man nur noch alle Karten des Stapels durchgehen und sich merken welche Karte nach der Karte erscheint, die vorher die letzte im Stapel war.
Trick 3
Vier Könige und vier Damen werden so sortiert, dass sie jeweils vier Karten entfernt von ihrem Partner liegen.
Nach dem Mischen mit Handlung 1 sieht man, dass die Dame immer noch vier Karten weg vom König liegt. Dies ist so, dass [math]\mathcal{T} [/math] unter Handlung 1 invariant ist. (Beweis oben)
Quellen
Autoren
Jörn Buchwald
Ine Gabrielsen
Julia Schnabel